Gründung von Weiterbildungsverbünden
Zunächst muss von Ärzt*innen, Praxen, Kliniken oder Institutionen die Initiative zur Gründung eines Verbundes ergriffen werden, um dann die jeweils eingebundenen Partner an einen Tisch zu bringen. Diese kann sowohl top-down von einer großen Institution wie der Ärztekammer ausgehen, genauso gut aber auch bottom-up von einer einzelnen Praxis, einer Klinik oder auch von einem einzelnen Kinder- und Jugendarzt/einer einzelnen Kinder- und Jugendärztin.
Die Verbünde können zwischen einer einzelnen Klinik und umgebenden Praxen, in einer Region mit mehreren Kliniken und vielen Praxen oder überregional zusammen mit Institutionen (z.B. Ärztekammern) oder Verbänden (z.B. VLKKD) geplant und entwickelt werden. Immer da, wo sich dem Thema aufgeschlossene Mitstreiter*innen finden, kann es vor Ort unter den gegebenen Bedingungen losgehen.
Gemeinsam werden Rahmenbedingungen entwickelt, die die Grundlage für die Zusammenarbeit darstellen. Es hat sich bewährt, diese in einer gemeinsamen Verbunderklärung oder einem Verbundvertrag festzuhalten, um eine Verbindlichkeit für alle Beteiligten herzustellen.

Erfahrungen mit der Gründung von Weiterbildungsverbünden
Beispiel Weiterbildungsverbund Pädiatrie Schleswig-Holstein
Aus dem Wunsch, die Weiterbildung in der eigenen Praxis zu etablieren und voranzubringen entstand die Idee zur Verbundweiterbildung bei einer Handvoll niedergelassener Kinder- und Jugendärzt*innen. In der „Chefärzt*innen-Runde“ wurde diese Idee vorgestellt und von fast allen Kliniker*innen positiv aufgenommen. Eine Arbeitsgruppe von 8 Ärzt*innen (3 ambulant Tätige, 3 klinisch Tätige, 2 ÄiW) entwickelte im Zeitraum von einem Jahr in drei Präsenztreffen Rahmenstrukturen für den Weiterbildungsverbund Schleswig-Holstein.
Eine Verbundvereinbarung wurde unterzeichnet, die von Kliniken und Praxen als Grundlage der Zusammenarbeit anerkannt wurde (Teilnahmeerklärungen für Praxen und für Kliniken. Inhalt war die Verpflichtung zur Zusammenarbeit von Praxen und Kliniken, um allen ÄiW in Schleswig-Holstein ein neues, strukturiertes und qualitativ gutes Konzept der Verbundweiterbildung anzubieten mit dem Ziel, alle Inhalte der klinischen und ambulanten Pädiatrie im vorgesehenen Umfang der Weiterbildung von 60 Monaten zu vermitteln. Verpflichtungen der ÄiW zur Weiterbildung in der Praxis, zur Entsendung von ÄiWs zu festgelegten Zeiten aus der Klinik oder der Aufnahme von ÄiW in die Praxis wurden zunächst bewusst zurückgestellt, um eine breite Akzeptanz zu erreichen.
Am 01.01.2016 nahm der Verbund durch Veröffentlichung im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt offiziell die Arbeit auf (siehe Artikel Ärzteblatt SH). Derzeit nehmen 9 der 10 Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin und ca. 30 Kinder- und Jugendarztpraxen am Verbund teil (siehe auch Weiterbildung in den Ländern - Schleswig-Holstein)
Beispiel Weiterbildungsverbund Hamburg
In Hamburg wurde als Reaktion auf die WBO 2020 in der Ärztekammer unter Beteiligung der Kinder- und Jugendärzt*innen eine „Handreichung zur kompetenzbasierten Erteilung von Weiterbildungsbefugnissen an Hamburger Kinder- und Jugendarztpraxen und -Kliniken“ entwickelt, welche in einem Punktesystem einen sechsmonatigen obligaten ambulanten Weiterbildungsabschnitt in kinderärztlichen Praxen definiert. Die Kinderkliniken können danach nur noch maximal 54 statt zuvor 60 Monate Weiterbildungsbefugnis erhalten. Kinderarztpraxen bekommen nach der neuen Systematik zwischen sechs und 24 Monate WB-Befugnis zuerkannt.
Da von Seiten der Kammer und der Kliniken keinerlei Aktivitäten zur strukturellen Umsetzung der ambulanten Weiterbildung erkennbar waren, haben sich der Weiterbildungsbeauftragte und die Landesverbandsvorsitzende des BVKJ gemeinsam entschlossen, einen Weiterbildungsverbund zu gründen. Zunächst wurden alle fünf Hamburger Kinderkliniken für den Verbund gewonnen und seit Ende 2022 in regelmäßigen Treffen in die Verbundplanung und -umsetzung eingebunden.
Im zweiten Schritt wurden die Kolleg*innen in den Hamburger Kinderarztpraxen informiert und ein Pool aus rund 30 interessierten pädiatrischen Praxen gebildet.
Das Weiterbildungsverbundkonzept wurde in großen Teilen an die Regelungen in Schleswig-Holstein angelehnt und an die Hamburger Gegebenheiten angepasst. Die Zusammenarbeit mit den Kliniken ist überwiegend konstruktiv und wertschätzend. Besonders aktiv bemüht sich das Universitätsklinikum um den Verbund und meldet regelmäßig mehrere Ärzt*innen in Weiterbildung für Rotationen in die Praxen an. Ein Problem ist bislang, dass einzelne Kliniken noch mit den Kapazitäten ihrer klinikeigenen MVZ für die Rotation einzelner WBA auskommen und daher noch nicht auf die Verbundstruktur zurückgreifen (müssen). Besonders bemüht und lösungsorientiert ist die KV-Hamburg, deren Abteilung für operatives Geschäft sich dafür einsetzt, ihre Strukturen und Prozesse für den Verbund anzupassen und die Hürden bei den Kooperationsverträgen abzubauen.
Aktuell vernetzen sich die 13 Assistentensprecher*innen der Hamburger Kinderkliniken untereinander und mit dem Weiterbildungsverbund. Das Interesse an diesem Austausch ist auf beiden Seiten groß.
Beispiel Weiterbildungsverbund Mittelfranken
Aus einer in Mittelfranken schon lange bestehenden „Elefantenrunde“ bestehend aus den Chefs der vier Kinderkliniken in Nürnberg, Fürth und Erlangen mit einer Auswahl von niedergelassene Kinder- und Jugendärzten entstand im Oktober 2018 der erste Verbundvertrag zwischen sechs Pilotpraxen, dem Klinikum Nürnberg-Süd und dem Klinikum Fürth. Inzwischen, Stand 2024, nehmen fünfzehn Praxen und alle fünf Kinderkliniken der Metropolregion Nürnberg teil. Je zwei Koordinatoren aus Klinik und Praxis sorgen für die Rotationsplanungen und eine Steuerungsgruppe trifft sich regelmäßig, um den Verbund weiterzuentwickeln.