Rahmenbedingungen in Verbundweiterbildungen

Wie es der Name sagt: Regelungen in Verbundvereinbarungen setzen einen Rahmen, um eine Orientierung für die konkrete Ausgestaltung eines Verbundes zu geben und die Umsetzung praktisch zu unterstützen. Dies bedeutet nicht, dass dabei Gesetzmäßigkeiten festgeschrieben werden, die nicht an die Gegebenheiten vor Ort oder an eine spezifische Situation angepasst werden könnten. Ein Rahmen gibt Gestaltungsspielraum, um flexibel auf Erfordernisse im Einzelfall reagieren zu können. Abweichende Regelungen sollen aber im Einvernehmen zwischen Klinik, Praxis und ÄiW getroffen werden und die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.

Unabhängig davon können auch verbindliche Festschreibungen erfolgen, die in einer Verbundvereinbarung oder -erklärung benannt werden.

Regelungen zur Weiterbildung sind hoheitliche Aufgabe der Ärztekammern. Die in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern niedergelegten Vorgaben sind zu beachten und können zwischen den Ländern variieren, sind in der Regel aber ähnlich (an die bundesweite Musterweiterbildungsordnung MWBO angepasst). Dargestellte Beispiele sind aber unter Umständen kammerspezifisch und mit den Regelungen im eigenen Ärztekammerbereich abzugleichen.


Zeitpunkt der Weiterbildung in der ambulanten Grundversorgung

Die Interessen von ÄiW, Kliniken und Praxen sind zu beachten. Bewährt hat sich ein ambulanter Weiterbildungsabschnitt im 3. und/oder 4. Weiterbildungsjahr, um einerseits dem Wunsch der Praxen nach Vorerfahrungen der ÄiW aus dem Bereich der allgemeinen Pädiatrie Rechnung zu tragen und um andererseits der Klinik die Sorge zu nehmen, gerade die erfahrenen ÄiW am Ende der Weiterbildung an die Praxen zu verlieren. Klargestellt werden muss der Weiterbildungsgedanke während der ambulanten Tätigkeit: die ÄiW kehren mit den in der ambulanten Versorgung erlangten Kompetenzen in der Klinik zurück, um die klinische Weiterbildung dort fortsetzen und ihre Erfahrungen einzubringen. Der Wunsch selbstständig tätiger Kinder- und Jugendärzt*innen in eigener Praxis Nachfolger*innen zu rekrutieren, kann ein Teil der Motivation zur Weiterbildung sein. Dieser darf aber nicht zu einem „Abwerben“ von ÄiW aus der Klinik führen. Im Kern geht es um die Vermittlung von Erfahrungen und Kenntnissen der anspruchsvollen, interessanten und vielschichtigen Tätigkeit in der allgemeinen ambulanten Pädiatrie.


Stellenumfang der ÄiW in der ambulanten Grundversorgung

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Weiterbildungsabschnittes ist in den Weiterbildungsordnungen der Ärztekammerbereiche (WBO) festgeschrieben. Eine Tätigkeit ist in „angemessen vergüteter hauptberuflicher Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen Weiterbildungsstätten und grundsätzlich ganztägig durchzuführen. Eine Weiterbildung in Teilzeit muss hinsichtlich Gesamtdauer, Niveau und Qualität den Anforderungen eines geregelten Kompetenzerwerbs einer ganztägigen Weiterbildung entsprechen. Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Teilzeittätigkeit mindestens Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit beträgt. Die Weiterbildungszeit verlängert sich entsprechend.“ (WBO SH).

Daraus ergibt sich, dass eine Tätigkeit in der Praxis mindestens mit halber Stelle erfolgen muss, um als Zeit der Weiterbildung anerkannt werden zu können.


Was bedeutet eigentlich „halbe Stelle“?

In den verschiedenen Kliniken und auch in den Praxen kann die Regelarbeitszeit unterschiedlich festgelegt sein (z.B. Uni-Klinik 42 Stunden, kommunales Haus 40 Stunden, privater Träger unter Umständen 38,5 Stunden. Möglicherweise werden in manchen Kliniken zukünftig auch 35 Stunden als volle Arbeitszeit gelten. Aufgrund dieser Heterogenität haben einige Ärztekammern in ihren WBO eine halbe Stelle definiert als die Hälfte der an der Weiterbildungsstätte üblichen Regelarbeitszeit. Das bedeutet, dass auch für die Praxen eine Regelarbeitszeit gilt, die sich bei angestellten Ärzt*innen aus deren Arbeitsverträgen ergibt und in der Regel 40 Stunden beträgt.

Dieser zunächst banal klingende Sachverhalt hat unter Umständen Konsequenzen für die Anerkennung der Weiterbildungszeit und die Förderung der Weiterbildung (siehe auch „Arbeitsverträge“.


 

Wenn in den Praxen für Kinder- und Jugendmedizin weitergebildet wird, gilt es Bestimmungen und Vorgaben zu beachten. Eine Tätigkeit von weniger als einer halben Stelle kann zu Problemen bei der Anerkennung als Weiterbildungszeit durch die Ärztekammern führen. Dies kann auch bei der Aufteilung einer Teilzeitstelle und paralleler Weiterbildung in Klinik und Praxis zum Problem werden, wenn der klinische Weiterbildungsteil neben der Tätigkeit in der Praxis weniger als 50% beträgt. Hier können unter Umständen Abordnungsverträge hilfreich sein, bei denen auch Teilzeittätigkeit von 20%, 30% oder 40% Umfang anerkannt werden können, da der ursprüngliche Weiterbildungsvertrag fortbesteht. Dies steht unter dem Vorbehalt, dass im klinischen Teil nicht ausschließlich Wochenend- oder Bereitschaftsdienste durchgeführt werden. Grundsätzlich sollte vor dem Beginn des ambulanten Weiterbildungsabschnitt die Bestätigung der Anerkennung von Weiterbildungszeiten für die geplante Gestaltung der Arbeitszeiten bei der entsprechenden Ärztekammer eingeholt werden.


Dauer der Weiterbildung in der pädiatrischen Grundversorgung

Die für die Anerkennung eines Weiterbildungsabschnittes notwendige Dauer ist ebenfalls in der WBO geregelt: „Sind Weiterbildungszeiten vorgeschrieben, können diese auch in Tätigkeitsabschnitten von mindestens drei Monaten absolviert werden“ (WBO SH).

In den neuen WBOen wird von Zeitvorgaben immer mehr Abstand genommen, dafür sind Inhalte vorgesehen, die für die Zulassung zur Prüfung mit Handlungskompetenz nachzuweisen sind.

Ambulante Grundversorgung beinhaltet die Begleitung des Kindes und seiner Familie im zeitlichen Verlauf, die Beobachtung und Einschätzung einer Erkrankung, die Beurteilung der somatischen, neurologischen und psychosozialen Entwicklung eines pädiatrischen Patienten und Kenntnisse der großen Variabilität der Norm und deren Abgrenzung von pathologischen Verläufen bei einer nicht selektionierten Patientengruppe. Der Erwerb von Handlungskompetenzen kann nur gelingen, wenn Inhalte ambulanter allgemeiner Pädiatrie über einen angemessenen, wenigstens sechs Monate umfassenden Weiterbildungsabschnitt vermittelt werden. Auch um der Bedeutung des Fachgebiets der ambulanten allgemeinen Pädiatrie gerecht zu werden, sollte dieser Zeitraum nicht unterschritten werden.


Empfehlungen:              

  • 6 (– 24) Monate Weiterbildung in der ambulanten Grundversorgung
  • Weiterbildung in Voll- oder Teilzeit (mindestens 50%), kann mit Weiterbildung in der Klinik kombiniert werden
  • Bevorzugt 3. oder 4. Weiterbildungsjahr

     

 

Umgekehrt sollte, um pädiatrische Kompetenzen aus allen Bereichen der Kinder- und Jugendmedizin zu erlangen, der Anteil der ambulanten Weiterbildung in der Regel 24 Monate nicht übersteigen.

 


Erfahrungen - Rahmenbedingungen in Verbünden

Beispiel Weiterbildungsverbund Pädiatrie Schleswig-Holstein

  • Weiterbildung findet in den Praxen in Schleswig-Holstein in der Regel für 12 bis 24 Monate statt, teilweise bei gleichzeitiger Tätigkeit in der Klinik (Reststellenanteil). Dabei können Tätigkeitsanteile in der Klinik von weniger als 50% anerkannt werden, wenn in die Praxis abgeordnet wird und die Tätigkeit in der Klinik sich nicht ausschließlich auf Bereitschafts- und Wochenenddienste beschränkt.
  • Dies entspricht einem Weiterbildungsabschnitt von 6 bis 12 Monaten Vollzeitäquivalent in der ambulanten Grundversorgung.
  • Angestrebt wird in Absprache mit der Klinik die Durchführung im 3. oder 4. Weiterbildungsjahr. Umsetzbare Lösungen vor Ort bedürfen einer konstruktiven Zusammenarbeit von Klinik und Praxis und gelingen im Einzelfall fast immer finden.
  • Um die Umsetzung kompetenzbasierter Weiterbildung in der Praxis zu gewährleisten und die Weiterbildung zu strukturieren ist die Arbeit mit dem Weiterbildungscurriculum PaedCompenda®Praxis verpflichtender Bestandteil der Verbundteilnahme.

Beispiel Weiterbildungsverbund Hamburg

  • Weiterbildungszeit in der Praxis wird wahlweise 6 Monate Vollzeit oder 12 Monate Teilzeit angeboten (in Einzelabsprachen auch länger möglich – max. 24 Monate Vollzeit); wichtig ist, eine möglichst flexible Gestaltung und Berücksichtigung der Belange von Klinik und Praxen; zusätzlicher Stellenanteil in Klinik ist möglich.
  • Ambulanter Weiterbildungsabschnitt soll bevorzugt im 3. und 4. Weiterbildungsjahr stattfinden– frühere oder spätere Abschnitte sind aber nach Absprache möglich und werden ebenfalls gefördert;
  • Weiterzubildende werden entweder aus ihren Kliniken in die Praxen „abgeordnet“ (Modell SH-Kliniken bleiben Arbeitgeber, Praxen leiten das Gehalt an die Kliniken weiter)oder es erfolgt eine Beurlaubung und Anstellung mit eigenem Arbeitsvertrag an der Klinik. An Lösungen wird bei unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen gearbeitet.
  • Zusätzlich zu der durch die Ärztekammer erteilten Weiterbildungsbefugnis hat der Verbund folgende Mindestkriterien für die Weiterbilder festgelegt: Facharztanerkennung seit mindestens 3 Jahren, mindestens 2 Jahre in der Praxis tätig; Abrechnung von mindestens 750 Scheinen pro Quartal, Abrechnung von mindestens 250 Kinderimpfungen und mindestens 150 Vorsorgeuntersuchungen pro Quartal
  • In den Praxen wird die kompetenzbasierte Weiterbildung und der Einsatz des Weiterbildungscurriculums PaedCompenda®Praxis vorausgesetzt
  • Förderung der WB-Stellen über KVHH aktuell noch aus dem Strukturfond. Bei im Verlauf absehbar erheblich zunehmenden Rotationen brauchen wir die Förderung nach §75a SGB V analog zur Allgemeinmedizin!
  • Die Ärztekammer und der Verbund streben an, mehrere Module für Schwerpunktthemen zu erarbeiten, mittels derer Kompetenzen erworben werden, die nicht in jeder Kinderklinik vermittelt werden können (Beispiele.: PHO, Kardiologie, Stoffwechsel, Rheumatologie, Diabetes, Dermatologie)           
  • Es kann zwecks Kompetenzerwerb einen Austausch von Assistent*innen zwischen den Kliniken geben („ich biete Kardiologie, bekomme dafür Dermatologie“ usw.)

Beispiel Weiterbildungsverbund Mittelfranken

  • Der Verbund steht für Kinder und Jugendarztpraxen der Region offen; die Aufnahme ist an eine Reihe von Kriterien gebunden, um eine gute Qualität der Weiterbildung zu gewährleisten. Die kompetenzbasierte Weiterbildung mit PaedCompenda®Praxis ist verpflichtende Teil des Verbundvertrages.

  • Die Weiterbildungszeiten in der Praxis waren anfänglich auf zwölf Monate festgelegt, inzwischen werden auch sechs Monate möglich. Als geeigneter Zeitpunkt des Übertritts in die Praxis gilt – ebenso wie bei den anderen Verbünden - das 3. und 4. Weiterbildungsjahr, aber auch hier gibt es inzwischen eine flexiblere Regelung.